Rüdiger Lautmann

 

Rüdiger Lautmann (geb. 1935) war von 1971 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2001 Professor für Soziologie an der Universität Bremen. Lautmann hat sich als bekennender Homosexueller für die Anliegen und Rechte „sexueller Minderheiten“ eingesetzt. Bei der sozialwissenschaftlich orientierten Forschung zur Homosexualität spielte er in Deutschland eine Vorreiterrolle. Lautmann war Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft für Humane Sexualität und ist Beiratsmitglied in der Humanistischen Union.

Zum Thema Pädophilie hat sich Lautmann in seinem Buch „Die Lust am Kind – Portrait des Pädophilen“25 eindeutig pro-pädophil positioniert. Seine Forschung, die in diesem Buch zusammengefasst ist, wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert.26

Lautmann behauptet, es gäbe den „echten Pädophilen“ (im Gegensatz zum Ersatz-Täter und dem aggressiv-sadistischen Täter, die aus defizitären bzw. pathologischen Gründen Kinder missbrauchen), der vor allem an Zuwendung zu den Kindern interessiert sei und erst in zweiter Linie am sexuellen Kontakt mit dem Kind. Die „gute Pädophilie“, so Lautmann, sei eine erotisch-sexuelle Präferenz27 wie jede andere sexuelle Vorliebe auch. „Ein großer Irrtum, geradezu heterosexistisch wäre es, die Unterschiede der Pädophilen- zur Erwachsensexualität als Versagen und Mangel zu sehen. Wir haben es nicht mit einer defizitären, sondern mit einer anders geformten Sexualität zu tun.“28

Lautmann ist auch der Auffassung, dass eine pädophile „Beziehung“ die Entwicklung eines Kindes fördern könne und dass Kinder in der Lage seien, selbständig zu entscheiden, ob sie einen sexuellen Kontakt wollen oder nicht.

Lautmanns Auffassung erfuhr von mehreren Seiten heftige Kritik. Gerhard Amendt beispielsweise, ebenfalls Professor für Soziologie an der Universität Bremen, griff Lautmanns Standpunkt scharf an.29 Amendt wirft Lautmann vor, dass er die Sicht der Täter vertrete, die das Leiden des Kindes völlig außer Betracht lässt. Für Amendt ist auch der „echte“ Pädophile als psychisch defizitär zu bezeichnen, weil er unfähig ist, eine reife sexuelle Beziehung zu einem ebenbürtigen Erwachsenen aufzubauen. Auch wenn der Pädophile scheinbar einfühlsam auf das Kind eingeht, geht er manipulativ vor. Der Pädophile hat „die Perspektive des Kindes auf sein eigenes erwachsenes pädophiles Begehren verkürzt.“30

 

25 Lautmann, Rüdiger, Die Lust am Kind – Portrait des Pädophilen. Ingrid Klein Verlag GmbH, Hamburg,1994.

26 Lautmann, Rüdiger, Die Lust am Kind – Portrait des Pädophilen, ebd. S.139.

27 Lautmann, ebd. S.15.

28 Lautmann, ebd. S.118.

29 Amendt hat in der sozialwissenschaftlichen Zeitschrift „Leviathan“ ausführlich Stellung zu Lautmanns Buch „Die Lust am Kind“ bezogen. Amendt, Gerhard, Pädophilie oder: Über sexualwissenschaftliche Trivialisierungen inzestartiger Handlungen, in: Leviathan: Zeitschrift für Sexualwissenschaft, Jahrgang 25, 1997, Heft 2.

30 Pädophilie: Partnerschaft oder subtile Gewalt? 5 Streitfragen an Gerhard Amendt und Rüdiger Lautmann in Psychologie heute, Dezember 1997, auch unter www.itp-arcados.net/wissenschaft-paedophilie-partnerschaft-oder-subtile-gewalt.pdf Zugriff 16.08.2010.